Leitlinie zur Erhebung und Verifizierung der Kundendaten im Sinne von § 111 TKG beim Verkauf von Prepaid-Karten an Asylsuchende kurz nach ihrer Ankunft in Deutschland

Heute habe ich das Schreiben von der Bundesnetzagentur (BNetzA) erhalten, von dem ich in meinem gestrigen Beitrag „Bundesnetzagentur fordert Prepaid-Kartenanbieter zur datenschutzwidrigen Speicherung des Merkmals “Migrant” auf“ berichtet habe. Es handelt sich dabei um ein aus drei Sätzen bestehendes Anschreiben und um eine Leitlinie, „die mit dem Bundeswirtschaftsministerium und dem Bundesinnenministerium abgestimmt ist. “

Wie bereits dargestellt, ist sie aber nicht mit der Bundesbeauftragten für den Datenschutz und die Informationsfreiheit (BfDI) abgestimmt, obwohl bei Beachtung der Leitlinie sehr sensible personenbezogene Daten bei den Telekommunikationsdienstleistern gespeichert werden müssen. So fordert die Leitlinie:

  1. Bei dem Verkauf der Prepaid-Karten an Asylsuchende werden zunächst einmal die bei der Registrierung in der Erstaufnahmeeinrichtung aufgenommenen Angaben erhoben und gespeichert. Neben dem Namen und Geburtsdatum des Asylsuchenden sollte die Adresse der Erstaufnahmeeinrichtung aufgenommen werden.
  2. Nach spätestens drei Monaten werden die Nutzer der Prepaid-Karten per SMS (in englischer und arabischer Sprache) aufgefordert, sich mittels einer aktuellen „Bescheinigung über die Meldung als Asylsuchender“ (BüMA)  oder einer Aufenthaltsgestattung im Zusammenhang mit der Asylantragstellung neu registrieren zu lassen.
  3. Sollte diese Neuregistrierung nicht innerhalb von 14 Tagen erfolgen, werden die jeweiligen Prepaid-Karten abgeschaltet.

Damit ein Telekommunikationsdienstleister (TK-Dienstleister) dieses Verfahren durchführen kann, muss er bei diesen Prepaidkarten irgenwie vermerken, dass es sich um einen Flüchtling handelt. Sonst ist der TK-Dienstleister nicht in der Lage nach spätestens drei Monaten eine erneute Registrierung der SIM-Karte zu fordern. Das Speichern eines solchen Merkmals ist allerdings weder durch das Bundesdatenschutzgesetz (BDSG) noch durch das Telekommunikationsgesetz (TKG) vorgesehen und ist daher datenschutzrechtlich unzulässig. Wie die TK-Dienstleister das Verfahren datenschutzkonform umsetzen sollen, ist daher ein Rätsel.

Zudem stellt dieses Verfahren aus meiner Sicht eine Diskriminierung der Flüchtlinge dar. Auch wenn bei gerade eintreffenden Flüchtlingen klar ist, dass innerhalb der nächsten Monate mindestens ein Anschriftenwechsel erfolgt, so gibt es doch auch viele Studierende, bei denen es zumindest sehr wahrscheinlich ist, dass bei diesen in den nächsten Monaten der eine oder andere Anschriftenwechsel erfolgt. Auch bei Berufstätigen sollen Anschriftenwechsel nicht nur gelegentlich vorkommen. Bei keiner dieser Gruppen wird die Nutzbarkeit der SIM-Karte von einer erneuten Registrierung abhängig gemacht.Auch darf nicht ausser Acht gelassen werden, dass die Anschriften bei den PrePaid-SIM-Karten zum großen Teil veraltet oder schlicht falsch sind.

Die in der Leitlinie vorgesehene Deaktivierung der SIM-Karte, die erfolgen soll, falls auf die nur in englischer und arabischer Sprache (wieso nicht auch in französischer Sprache) versandte SMS nicht reagiert wird, führt darüber hinaus dazu, dass die Kommunikation mit Familienmitgliedern und FreundInnen, die an anderen Orten oder sich in der Heimat aufhalten, unmöglich wird.

Aus meiner Sicht würden die TK-Dienstleister ihre Verpflichtung aus § 11 TKG erfüllen, wenn sie die Anschrift der Erstaufnahmestelle als Anschrift aufnehmen und – wie bei anderen Prepaid-NutzerInnen auch – darauf hinweisen, dass Anschriftenänderungen mitzuteilen sind. Wenn ich nächste Woche umziehe und heute eine Prepaidkarte
registriere, erfolgt das auch unter meiner Anschrift von heute und es ist alleine meine Verantwortung, dass ich die neue Anschrift dem TK-Dienstleister mitteile!

 

 

Über extdsb

Ich bin Diplom Informatiker (mit Schwerpunkt Datenschutzrecht) Datenschutzexperte und anerkannter Datenschutzsachverständiger (rechtlich, technisch). Ich berate Unternehmen und andere Institutionen bei allen Fragen zum Datenschutz und bin in verschiedenen Unternehmen als externer Datenschutzbeauftragter tätig. Ehrenamtlich bin ich u.a. als stellv. Vorsitzender der Deutschen Vereinigung für Datenschutz e.V. und als Beiratsmitglied des Forums InformatikerInnen für Frieden und gesellschaftliche Verantwortung (FIfF) e.V. aktiv.
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5 Antworten zu Leitlinie zur Erhebung und Verifizierung der Kundendaten im Sinne von § 111 TKG beim Verkauf von Prepaid-Karten an Asylsuchende kurz nach ihrer Ankunft in Deutschland

  1. Pingback: Markierung von Prepaid-SIM-Karten für Geflüchtete « Netz Für Alle

  2. extdsb schreibt:

    Hier ist ein – aus meiner Sicht – gut recherchierter TAZ-Artikel zu
    diesem Thema: http://taz.de/Deutsche-Prepaid-Karten/!5238553/

  3. Alfons schreibt:

    Es geht also darum, den Flüchtlingen möglichst schnell nach ihrer Ankunft eine eigene Kommunikationsmöglichkeit zu verschaffen, ohne die gesetzliche Vorgabe von § 111 TKG außer Acht zu lassen. Deshalb sollen die Kunden nicht als „Migranten“ gekennzeichnet werden, sondern nur ein Merker gesetzt werden, dass die – erste eigene – Anschrift der Flüchtlinge noch nachzuerheben ist. Dieser Merker ist danach nach Datenschutzgrundsätzen wieder zu löschen. Das ist meiner Meinung nach nicht rechtswidrig, sondern von § 95 TKG gedeckt, wonach der Diensteanbieter alle Daten erheben darf, die für die Begründung des Vertrages erforderlich sind – dazu gehört nun mal auch die Anschrift des Kunden.
    Ich sehe auch einen Unterschied zu dem Studenten, der morgen umziehen will und heute noch seine alte Adresse angibt. Der hat nämlich heute noch eine eigene Adresse, bei der auch grundsätzlich eine Vermutung für die Dauerhaftigkeit spricht, während die Flüchtlinge nur eine Sammelanschrift der Erstaufnahmeeinrichtung angeben können, die von vornherein nur vorübergehend ist.

    • extdsb schreibt:

      § 11 TKG verlangt ja nur, dss die aktuelle Anschrift gespeichert wird. Eine Verpflichtung die Daten zu aktualisieren besteht nur für Änderungen, „soweit sie dem Vertriebspartner im Rahmen der üblichen Geschäftsabwicklung zur Kenntnis gelangen“ (was bei Prepaid-Karten in der Regel nict der Fall ist). Von daher bedarf es der Regelungen dieser Leitlinie nicht. Die einfache Auffforderung, mensch möge seine Daten bitte aktuell halten muss also ausreichend sein.

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