Bundesnetzagentur fordert Prepaid-Kartenanbieter zur datenschutzwidrigen Speicherung des Merkmals „Migrant“ auf

Wenn Telekommunikations-Dienstleister (TK-Dienstleister) Prepaid-Simkarten an Flüchtlinge ausgeben, die noch keine gültigen inländischen Papiere haben, dann sollen die TK-Dienstleister – um die Auskunftspflichten nach § 111 TKG erfüllen zu können – aus Sicht der Bundesnetzagentur (BNetzA) in ihren Systemen vermerken, dass es sich um einen Flüchtling handelt und diesen per SMS in deutscher, englischer und arabischer Sprache nach drei Monaten zur Adressverifikation aufzufordern. Die TK-Dienstleister sollen dann bei nicht erfolgter Adressbestätigung die SIM-Karte wieder sperren. Leider hat die BNetzA dabei übersehen, dass es für die Speicherung des Merkmals „Migrant“ oder „Flüchtling“ keinerlei Rechtsgrundlage gibt. Aus meiner Sicht ist ein derartiges Verfahren datenschutzwidrig und stellt zumindest eine Ordnungswidrigkeit dar! Auch die Mitarbeiter der Bundesbeauftragten für den Datenschutz und die Informationsfreiheit (BfDI), die beim Jour Fixe Telekommunikation in Düsseldorf anwesend waren,  waren von diesem Verfahren überrascht!

[1. Ergänzung] Ich habe am 25.09.2015 um 11:23 Uhr das Schreiben der BNetzA, in dem sie obiges Verfahren vorschlägt angefordert. Dieses Schreiben sei – so die Aussage beim Jour Fixe Telekommunikation am 24.09.2015 bereits an entsprechende Verbände versandt worden.

[2. Ergänzung] Ich habe das Schreiben um 11.49 Uhr erhalten. Das ging ja richtig flott! Die darin enthaltene „Leitlinie zur Erhebung und Verifizierung der Kundendaten im Sinne von § 111 TKG beim Verkauf von Prepaid-Karten an Asylsuchende kurz nach ihrer Ankunft in Deutschland“ habe ich in einem eigenständigen Beitrag dargestellt und kommentiert

Über extdsb

Ich bin Diplom Informatiker (mit Schwerpunkt Datenschutzrecht) Datenschutzexperte und anerkannter Datenschutzsachverständiger (rechtlich, technisch). Ich berate Unternehmen und andere Institutionen bei allen Fragen zum Datenschutz und bin in verschiedenen Unternehmen als externer Datenschutzbeauftragter tätig. Ehrenamtlich bin ich u.a. als stellv. Vorsitzender der Deutschen Vereinigung für Datenschutz e.V. und als Beiratsmitglied des Forums InformatikerInnen für Frieden und gesellschaftliche Verantwortung (FIfF) e.V. aktiv.
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5 Antworten zu Bundesnetzagentur fordert Prepaid-Kartenanbieter zur datenschutzwidrigen Speicherung des Merkmals „Migrant“ auf

  1. Migranten-Freund schreibt:

    Wieso gibt der BND/Verfassungsschutz nicht kostenlos SIM-Karten an die Asylanten aus? Das würde den Bürokratischen Aufwand erheblich vereinfachen. K-O-S-T-E-N-L-O-S, wer kann da wiederstehen?

  2. Pingback: Leitlinie zur Erhebung und Verifizierung der Kundendaten im Sinne von § 111 TKG beim Verkauf von Prepaid-Karten an Asylsuchende kurz nach ihrer Ankunft in Deutschland | Blog eines Datenschutzsachverständigen

  3. Jürgen Friedrich schreibt:

    Schön wäre es, wenn wir gleich auch eine Idee hätten, wie man das Problem lösen könnte! Die TK-Anbieter mit Hinweis auf Ordnungswidrigkeiten ggfs. davon abzuhalten, Flüchtlingen eine SIM-Karte zu geben, auf die sie zur Kommunikation dringend angewiesen sind, finde ich da ein bisschen wenig. Hatten wir uns nicht vorgenommen, in der gegebenen Ausnahmesituation etwas flexibler zu reagieren (s. Baurecht)? Bei der Abwägung der Kommunikationsnotwendigkeiten der Flüchtlinge mit ihren Datenschutzrechten, scheinen mir (vorrübergehend bis eine dauerhafte Lösung gefunden wird) die Kommunikationsnotwendigkeiten wesentlich wichtiger. Also nochmal: Welche Lösung schlagen wir vor? (Bitte nicht: „Da soll sich die BnetzA mal was überlegen, als DSBs sind wir nicht zuständig.“)
    Viele Grüße. Jürgen Friedrich (Bremen)
    Jürgen

    • extdsb schreibt:

      Eine Möglichkeit wäre es, einfach die Anschrift der Erstaufnahmestelle
      als Anschrift zu akzeptieren und – wie bei anderen Prepaid-NutzerInnen
      auch – darauf hinweisen, dass Anschriftenänderungen mitzuteilen sind.

      Wenn ich nächste Woche umziehe und heute eine Prepaidkarte
      registriere, erfolgt das auch unter meiner Anschrift von heute und es
      ist alleine meine Verantwortung, dass ich die neue Anschrift mitteile!

  4. Hilfe, wo geht's hier in die Zukunft? schreibt:

    Bin sparsam mit dem zum Inflationären verleitenden Ausdruck „faschistisch“ geworden, aber das … „faschistoid“ trifft es hier auf jeden fall. Gleiches ist schon länger meine Meinung zu §111 TKG an sich, ein faschistoider Paragraph … und hier verbinden sich zwei häßliche Seiten des deutschen Menscheineinsortier- und kontrollwahns. Ein Staat, der Registrierungszwänge bei Kommunikationsmitteln für richtig hält, ist nicht freiheitlich, sondern autoritär veranlagt.

    Oh, die deutsche Mehrheitsgesellschaft ist mit schuld, wenn sie auf die Angstmache hereinfällt und jedes Kontrollmittel billigt. Ich wette, dass das bei Netzpolitik.org auftaucht und sogleich der beschämenden, hirnlosen Ich-bin-nicht-rechts-aber-Bagage, der sich in letzter Zeit auf öffentlichen Kommentarseiten tummelt, als Anstoß zum Ablästern dient („also ich find das gar nicht schlimm, wenn sie denen mal auf die Finger schauen“ und viele andere Dinge, die sie für sich selbst auch nicht wünschen würden). Und viele, zu viele sehen zu. Die rühren sich ja bei Überwachung nicht mal, wenn sie selbst betroffen sind.

    Ich jedenfalls finde diese Nachricht schockierend und verstörend. Hoffentlich hat das juristische Konsequenzen für die (vulgärer Kraftausdruck von mir selbst getilgt), die sich das ausgedacht haben. Fühlen die sich bestärkt, wird weiter eines zum nächsten kommen, und dann fragen sich alle, wie es soweit kommen konnte.

    Jetzt 2+2 zusammenzählen, Behörden, wer wohl diesen impulsiven Kommentar geschrieben hat. Nennt mich doch linksextrem. Wenn Ihr echt nichts anderes zu tun habt, etwa Migranten (Wann ist denn das eigentlich zu einem abwertenden Wort geworden?) oder Flüchtlingen helfen, oder mal meditieren oder so. Oh gott, ich sollte das auch.

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