Pressemitteilung des Arbeitskreises Vorratsdatenspeicherung vom
14.04.2011:
Verfassungsgericht befasst sich zunehmend mit Überwachungsgesetzen
Dieses Jahr stehen beim Bundesverfassungsgericht wieder zahlreiche
Entscheidungen zum Konflikt zwischen Privatsphäre und Überwachung
an. Bürgerinnen und Bürger haben gegen zahlreiche Gesetze
Verfassungsbeschwerde erhoben, um unsere offene Gesellschaft gegen
Sicherheitsideologen zu verteidigen. Nur Menschen, die sich nicht
ständig beobachtet und überwacht fühlen, können sich unbefangen und
mutig für ihre Rechte und eine gerechte Gesellschaft einsetzen.
Konkret will das Bundesverfassungsgericht im Jahr 2011 über die
Gültigkeit der folgenden Überwachungsgesetze entscheiden:[1]
1. Identifizierungszwang bei Prepaid-Mobiltelefonkarten und
staatlicher Zugriff auf Name, Anschrift, Rufnummern, PINs,
Passwörter und weitere persönliche Daten von Telefon-, Handy-, E-
Mail- und Internetnutzern,[2]
2. Zentrale Antiterrordatei von Polizeibehörden und
Nachrichtendiensten von Bund und Ländern,
3. Überwachung von Demonstrationsteilnehmern in Bayern (Bayerisches
Versammlungsgesetz),
4. Aufrüstung des Bundeskriminalamts zu einer zentralen
Polizeibehörde mit exekutivischen Befugnissen zur "Verhütung von
Gefahren des internationalen Terrorismus" (BKA-Gesetz),[3]
5. Zentrale Vorratsspeicherung von Arbeitnehmerdaten (ELENA),[4]
6. Telekommunikationsüberwachung und andere verdeckte
Ermittlungsmaßnahmen zur Strafverfolgung.
Weitere anhängige Verfassungsbeschwerden betreffen die Erfassung von
Fingerabdrücken im Reisepass, den Massenabgleich von Kfz-Kennzeichen
in Niedersachsen, Baden-Württemberg und Hessen, die präventive
Computerspionage (Online-Durchsuchung) in Bayern, die Weitergabe
persönlicher Informationen an das Ausland nach der Cybercrime-
Konvention und die Vorratsspeicherung von Internet-Protokolldaten
durch das Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik.[5]
Armin Schmid vom Arbeitskreis Vorratsdatenspeicherung Regensburg ist
erschrocken: "Ich hoffe auf Machtworte des
Bundesverfassungsgerichts, so wie wir es gegen die
Vorratsdatenspeicherung in Deutschland, Rumänien und kürzlich in
Tschechien erlebt haben. Das bestehende Sammelsurium an
Überwachungsgesetzen verschlägt einem die Sprache. Die Privatsphäre
muss auch vor dem Staat geschützt werden. Wir brauchen eine
gedankliche Kehrtwende."
Katharina Maria Nocun vom Arbeitskreis fügt hinzu: "Es ist ein
Problem, wenn zunehmend Gesetze erlassen werden, die offensichtlich
nicht mit dem Grundgesetz vereinbar sind. Da zwischen Umsetzung,
Klage und Urteil oft Jahre vergehen, entsteht so ein
grundrechtsfreier Raum, in dem Politiker Bürgerrechte sanktionslos
einschränken können."
Ein breites Bündnis von Organisationen, Verbänden und Parteien
fordert seit Jahren im Rahmen der Demonstrationen "Freiheit statt
Angst" eine unabhängige Überprüfung aller bestehenden
Überwachungsbefugnisse in Hinblick auf ihre Wirksamkeit,
Verhältnismäßigkeit, Kosten, schädliche Nebenwirkungen und
Alternativen.[6] Nach der inneren Aufrüstung der letzten Jahre
fordern wir zudem einen sofortigen Stopp neuer Gesetzesvorhaben auf
dem Gebiet der inneren Sicherheit, wenn diese mit weiteren
Grundrechtseingriffen verbunden sind. Im Jahr 2011 gilt es
insbesondere, eine neuerliche verdachtslose Speicherung von
Verbindungsdaten auf Vorrat zu verhindern, wie sie aktuell sogar das
FDP-geführte Bundesjustizministerium vorschlägt.[7]
Fußnoten:
[1] https://extdsb.wordpress.com/2011/02/24/verfassungsbeschwerden-die-das-bverfg-noch-dieses-jahr-erledigen-will/
[2] http://www.daten-speicherung.de/index.php/tkg-verfassungsbeschwerde/
[3] http://www.daten-speicherung.de/index.php/bundeskriminalamt-soll-zentrale-staatspolizei-werden/
[4] http://www.starostik.de/pages/elena-verfassungsbeschwerde.php
[5] http://www.daten-speicherung.de/wiki/index.php/Fakten_und_Zahlen_zur_%C3%9Cberwachung#Anstehende_Entscheidungen_des_Bundesverfassungsgerichts
[6] http://blog.freiheitstattangst.de/forderungen/
[7] http://www.vorratsdatenspeicherung.de/content/view/420/79/lang,de/
Diese Pressemitteilung im Internet:
http://www.vorratsdatenspeicherung.de/content/view/443/79/lang,de/
Über uns:
Der Arbeitskreis Vorratsdatenspeicherung ist ein Zusammenschluss von
Bürgerrechtlern, Datenschützern und Internetnutzern, die sich in
Zusammenarbeit mit weiteren zivilgesellschaftlichen Initiativen gegen
die ausufernde Überwachung im Allgemeinen und gegen die
Vollprotokollierung der Telekommunikation und anderer Verhaltensdaten im
Besonderen einsetzen.
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Über extdsb
Ich bin Diplom Informatiker (mit Schwerpunkt Datenschutzrecht) Datenschutzexperte und anerkannter Datenschutzsachverständiger (rechtlich, technisch). Ich berate Unternehmen und andere Institutionen bei allen Fragen zum Datenschutz und bin in verschiedenen Unternehmen als externer Datenschutzbeauftragter tätig. Ehrenamtlich bin ich u.a. als stellv. Vorsitzender der Deutschen Vereinigung für Datenschutz e.V. und als Beiratsmitglied des Forums InformatikerInnen für Frieden und gesellschaftliche Verantwortung (FIfF) e.V. aktiv.
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